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Für die dritte Episode „LOVER“  habe ich mich mit meinem alten Kollegen und Freund Martin aka RAEDY getroffen. Martin ist Fotograf, Illustrator und Musikproduzent aus Prenzlauer Berg und verbindet mit dem Bezirk viele Erinnerungen.

Für den Artikel haben wir uns über Entwicklung, Berlin als Mythos und eine prekäre Situation, bei der er fast eines seiner Ohren verloren hätte, unterhalten.

Hey Martin, erstmal danke für deine Zeit und deine Unterstützung bei meinem Projekt! Lass uns doch erstmal mit einer easy Vorstellung anfangen. Wer bist du? Wo kommst du her und vor allem: was machst du?

Hallo lieber Max, mein Name ist Martin Pohle. Mein Künstlername ist Raedy bzw. war ich bis vor Kurzem noch als V.Raeter unterwegs. Geboren bin ich 1980 in Berlin Prenzlauer Berg. Da habe ich auch den größten Teil meines Lebens gelebt. Ich bin Gestalter denke ich - Design, Illustration, Fotografie und Musik. Ich lege seit Mitte/Ende der 90er auf, produziere Musik und habe Design und Fotografie studiert. Ich habe akzeptiert, dass ich alles ein bisschen und nichts richtig mache.

Wir beide haben ja schon zusammen echt viele Bilder an den verschiedensten Orten geschossen. Für das Cover von diesem Artikel waren wir aber speziell im Prenzlauer Berg unterwegs. Was bedeutet der Pberg für dich und welche sind deine prägendsten Erinnerungen?

Ich bin hier aufgewachsen und hier ist halt mein Zuhause. Also der Ort wo meine Wohnung ist. Als ich mal nach Kreuzberg zog, dachte ich, ich würde P-Berg vermissen. Aber dem war nicht so. Ich hab aber schon an der einen oder anderen Ecke nostalgische Momente, aber DIE große Anekdote hab ich nicht auf Lager grade. Wir können nochmal spazieren geh’n, dann zeig ich dir die stelle wo mir zwei Halbstarke als Kind mal ein Ohr abschneiden wollten :-)

Berlin besteht ja nicht nur aus Pberg. Welche Rolle spielen die anderen Bezirke für dich? Sind manche in deinem Leben präsenter oder meidest du einige von Ihnen?

Ich finde die ganze Stadt interessant, meide keinen Bezirk, aber bin wegen Leben und so meist nur in der Innenstadt - 5km Radius wie aufm Dorf.

Du wohnst ja nicht erst seit gestern in Berlin und kennst die Stadt sehr gut. Wie gehst du mit der Schnelllebigkeit und Anonymität die man täglich zu spüren bekommt um?

Kurz gesagt, genieße ich das sehr. Ich mag’s unterzutauchen. Ich mag auch, dass ich meine Nachbarn nicht kenne. Manchmal denk ich, ich bin ein wenig gestört deshalb und wundere mich, meist in anderen Städten, warum Leute nett und offen sind und denk die wollen irgendwas :-)

Wie gehst du persönlich mit der schnellen Entwicklung der Stadt und ihrer Vielfalt um? Wie nutzt du diese Eigenschaften für deine kreative Arbeit?

„Berlin, ein dauernd wechselnder Mythos“…

…der Spruch begleitet mich auch schon so seit zwanzig Jahren. Weil ich mal bei einer Uniarbeit sone Fotoserie machen sollte und da hab ich dieses Zitat gefunden. Ich fand das einfach ganz geil. So dass es für jede Generation oder für jeden Menschen, vielleicht ähnlich wie New York oder so, immer wieder ein neuer Mythos ist. Jeder sieht so ein anderes Traumbild dadrin.

Die schnelle Entwicklung nehme ich so hin und nutze sie wenn möglich. Manche Sachen nerven natürlich, aber ich will den Sachen gern positiv gegenüber stehen. Ich treffe durch meine „Jobbys“ ja auch dauernd neue Leute. Oft entstehen daraus auch neue Projekte, Ideen oder zumindest Inspiration und das Netzwerk wird größer. Das mag ich. Ich finde Stillstand schon auch ein wenig langweilig. Es hilft mir auch dabei offen zu bleiben.

Wir alle kennen es. Alles sieht gleich aus. Die Inspiration fehlt und man will am liebsten alles hinschmeissen. Wie gehst du mit solchen „Downphasen“ um? Gibt es Ecken, welche dir Energie geben und an denen du neue Kraft generierst?

Ich glaube die Natur gibt mir Kraft und Reisen. Ich bin viel unterwegs und sauge alles auf was mir begegnet. Viel zu selten laufe ich durch den Wald obwohl mir das so gut tut. Aber eigentlich hat es nichts mit dem Ort zu tun. Ich realisiere auch ganz langsam, dass die Sachen bei mir auch in Wellen kommen und lerne es zu akzeptieren. Vor allem von den Downs habe ich immer noch oft ein schlechtes Gewissen. Dabei sind Deadlines doch eine Lüge!

Wo wir grad schon bei Inspiration sind. Du bist ja dafür bekannt dich nicht nur auf ein Medium zu limitieren. Egal ob Fotografie, Musik oder Grafikdesign. Du legst ein unglaubliches Talent an den Tag. Wie schaffst du es alles unter einen Hut zu bringen und wie bleibst du fokussiert und bleibst hungrig?

Aktuell hab ich das Gefühl irgendwie müde zu sein und gar nichts unter einen Hut zubekommen. Da sind wir aber eigentlich auch wieder bei den Wellen. Ich will lernen mit den Wellen zu arbeiten. Oft will ich mich in ein Tief zwingen. Das ist sehr frustrierend. Dann wird wieder irgendwas released und ich bin happy.

Am Ende mach ich einfach immer weiter und bin offen für Leute und Dinge die so kommen. Ich habe mir selber zum Geburtstag einen Füller geschenkt und zeichne wieder in ein Skizzenheft. Solche Veränderungen halten auch wach und sind positive Herausforderungen.

Wenn wir jetzt mal einen kleinen Throwback machen und zehn Jahre in der Zeit zurück gehen. Wie würdest du deinen Stil in deiner Kunst beschreiben und wie hat er sich über die Jahre entwickelt?

Meinen Stil kann ich nicht beschreiben. Freue mich immer wenn ich Feedback bekomme das sagt, ich hätte einen. Ich hab das Gefühl, dass in den letzen 10 Jahren „Pflanzen“ gewachsen sind. Ich habe mich tiefgreifender mit Fotografie beschäftig bzw. einfach viel mehr fotografiert.

Technischer fortschritt hat an allen Fronten auch vieles einfacher gemacht.

Vielleicht bin ich fokussierter und selbstbewusster geworden.

Entwicklung, Vergangenheit und Kunst: Welche sind und waren deine größten Einflüsse und was wirkt sich auf dich am positivsten bei kreativen Prozessen aus?

Ich habe viele sehr talentierte und inspirierende Freunde mit denen ich natürlich viel über Kunst und Musik spreche. Da bekomme ich so viel schönen Input. Aber ich muss auch sagen, dass mich das oft lähmt.

Ansonsten beeinflussen mich alle Medien. Serien. Bücher. Die komplette Popkultur. Das doofe Smartphone als Fenster in alle Welten…

Wir haben ja jetzt schon herauskristallisiert, dass bei dir echt ne Menge los ist. Hast du momentan ein Projekt auf den du deinen Fokus legst?

Aktuell arbeite ich an meinem neuen Album, dass eng mit einem Photoprojekt verknüpft ist. Idealerweise entsteht daraus auch ein kleines Buch. Ich hoffe ich kann mich bald mal ein bissel darauf konzentrieren :)

Letzte und klassische Frage: In zehn Jahren! Wo willst du sein?

Ich weiß ja nicht mal wo ich in zwei Wochen bin. Aber ich geb dir drei Optionen: 1. New York 2. Uckermark 3. Einfach hier wie immer.

Max Dietzmann